Aufbruch in die Moderne

„Ihr werdet sehen, man wird von uns sprechen“

Vor 150 Jahren machen sich sechs Maler und eine Malerin – allesamt heute weltberühmt – mit ihrer ersten eigenen Ausstellung unabhängig vom konservativen Pariser Salon.

Edmond Renoir ist genervt. Er hat zugesagt, den Katalog für die Ausstellung zusammenzustellen, die sein älterer Bruder Pierre-Auguste mit seinen Malerfreunden organisieren will. Immer wieder waren ihre Bilder in den vergangenen zehn Jahren vom Pariser Salon, der wichtigsten Kunstschau ihrer Zeit, abgewiesen worden – nun werden sie sich direkt dem Urteil der Öffentlichkeit stellen. Ihrem Helfer Edmond machen es die Herren Künstler dabei jedoch nicht gerade leicht.

Édouard Manet, eine der Führungsfiguren der modernen Malerei, verweigert sich dem Vorhaben ganz – auch, weil er nicht mit dem unberechenbaren Paul Cézanne zusammenarbeiten will. Der eigenwillige Edgar Degas liefert seine Bilder auf den letzten Drücker ab. Claude Monet, finanziell klamm und auf Einnahmen aus dem Bilderverkauf angewiesen, schickt viel mehr als vereinbart – und liefert dazu monotone Titel: „Eingang zum Dorf“, „Ausgang aus dem Dorf“, „Morgen im Dorf“ … Ob er nicht andere Namen finden könne, hakt Edmond Renoir nach, etwa für das Seestück, auf dem im Hafen von Le Havre ein blaugrauer Dunst Kräne und Schiffsmasten verschleiert, während der glutrote Ball der Morgensonne mit seiner Spiegelung auf dem Wasser wie ein auf dem Kopf stehendes Ausrufezeichen alle Blicke auf sich zieht? Monet antwortet: „Warum schreiben Sie nicht einfach ‚Impression‘?“

Imago/Bridgeman Images
Das Studio des Fotografen und Karikaturisten Gaspard-Félix Tournachon (genannt Nadar) in Paris um das Jahr 1860. Im zweiten Stock findet 1874 die erste unabhängige Ausstellung einer Gruppe von 29 Künstlern und einer Künstlerin statt. Laut Monet hat Nadar die sieben bis acht Räume unentgeltlich zur Verfügung gestellt; in der Schlussabrechnung werden jedoch rund 2000 Francs für Miete aufgeführt.

Paris, am 15. April 1874: In den Atelierräumen des Fotografen Nadar im zweiten Stock eines Hauses an der Ecke Rue Daunou und Boulevard des Capucines eröffnet die „Anonyme Gesellschaft der Kunstmaler, Bildhauer, Grafiker usw.“ ihre erste Ausstellung. Monets „Impression“ – Edmond Renoir hat dem Titel das Wort „Sonnenaufgang“ hinzugefügt – ist eines von 165 gezeigten Werken.

29 Künstler und eine Künstlerin beteiligen sich. Sieben von ihnen zählen heute zum Who is Who des Impressionismus: Monet, Renoir, Cézanne, Degas, daneben Camille Pissarro, älter und so etwas wie der „Patriarch“ der Bewegung, der stille Alfred Sisley, ein Frankreich lebender Engländer, sowie die begabte Künstlerin Berthe Morisot, die sich der Gruppe gegen Widerstände ihrer Familie angeschlossen hat. Mit Eva Gonzalès, Mary Cassatt und Marie Bracquemond gehört sie zur ersten Riege der Impressionistinnen des 19. Jahrhunderts.

Es ist spöttisch gemeint, als der Kunstkritiker Louis Leroy ihnen das Label „Impressionisten“ anheftet. Er ist weder der Erste noch der Einzige, der den Begriff „Eindruck“ verwendet, um diese irritierende Malweise zu beschreiben: Das Skizzenhafte, der lockere, sichtbare Pinselstrich, die verschwommenen Konturen, der fleckige Farbauftrag, die unspektakulären Motive … die Flüchtigkeit eines Moments, in Eile festgehalten, scheinbar unvollendet. Oder, wie manche Zeitgenossen es nennen: „wie hingeschmiert“.

Imago/Heritage Images
Claude Monet: Impression, Sonnenaufgang (1872)

Die meisten der Geschmähten nehmen die Bezeichnung „Impressionisten“ bald bereitwillig für sich an. Noch aber sind sie eine namenlose Gruppe, die sich eher als „Naturalisten“ sehen, und die vor allem eines gemeinsam haben: Sie wollen sich von den Regeln der akademischen Malerei befreien – und sich nicht länger von deren Gralshütern bevormunden lassen.

Der Macht der Akademie

Wer im 19. Jahrhundert als Maler oder Malerin Anerkennung sucht, kommt an der mächtigen Académie des Beaux-Arts nicht vorbei. Eine von ihr dominierte Jury entscheidet, wer im Pariser Salon ausgestellt und damit sichtbar für Kritik, Kunsthandel und kaufkräftiges Publikum wird. Ein „R" für „refusée“ auf dem Rahmen eines Bildes hingegen stempelt Kunstschaffende ganz schnell als bedeutungslos ab.

Beherrscht wird der Kunstbetrieb Frankreichs von einer mächtigen Institution, der königlichen Académie des Beaux-Arts. Sie beeinflusst, was für Museen oder die kaiserliche Privatsammlung angekauft wird. Sie stellt die Professoren der staatlichen Kunstschule und kontrolliert die Ausbildung angehender Maler. Und sie dominiert die Zulassungsjury, die darüber entscheidet, welche Werke im Pariser Salon gezeigt werden. Kurzum: Die Akademie definiert, was Kunst ist – und was weg kann.

Der Pariser Salon, der auf eine Initiative Ludwigs XIV. zurückgeht, findet alle ein bis zwei Jahre statt, anfangs in der Grande Galerie de Louvre, dann im namensgebenden Salon Carré und später im Industriepalast an den Champs-Élysées. Nach der Französischen Revolution öffnet sich die Kunstschau auch Nicht-Akademiemitgliedern. Doch zunächst müssen sie ihre Werke an der Jury vorbeibringen. Über Hopp oder Top befindet die Kommission mitunter „in 85-87 Hundertsteln einer Minute“, wie es in einer Kunstzeitschrift jener Zeit heißt. Die besten Chancen haben Werke, die den Regeln des Klassizismus folgen: Klarheit im Aufbau, zeichnerisch-lineare Form, glatte Malweise, kühle Farben, bedeutender Bildinhalt. Der Impressionismus hält sich an nichts davon.

Der Vergleich der folgenden Bilder macht die Unterschiede zwischen dem akademischen und dem impressionistischen Stil deutlich.

Imago/GRANGER Historical Picture Archive
Jean Auguste Dominique Ingres: Die Quelle, 1856. Öl auf Leinwand.
Imago
Pierre-Auguste Renoir: Weiblicher Halbakt in der Sonne, 1876. Öl auf Leinwand.

Repräsentativ für den von der Akademie bevorzugten Stil steht „Die Quelle“ (links), ein Akt, an dem Jean Auguste Dominique Ingres 1820 zu arbeiten begann und das er erst 1856 fertigstellt. Als Lehrer an der École des Beaux-Arts verteidigt Ingres verbissen die Vorherrschaft der Linie vor der Farbe; als Maler setzt er hier das klassizistische Programm um: Der Körper ist idealisiert, detailgenau, mit klarer Linienführung ausgeführt, die Malweise glatt, die Pinselführung nicht sichtbar. Den Vorwand für die Darstellung der Nacktheit liefert die Amphore, die die Frauenfigur antikisiert.

Ganz anders präsentiert sich der „Weibliche Halbakt in der Sonne“, den Auguste Renoir 1876 malt: Er stellt den nackten Körper einer Frau nicht glatt, mit klaren Linien und idealisiert dar, sondern so, wie er ihn sieht – an einem warmen, sonnigen Tag in der Natur, mit einer Haut, die fleckig erscheint, weil die Blätter der Pflanzen Schatten auf sie werfen. Renoir verzichtet auf Beigaben, die dem Akt einen antiken oder historischen Kontext geben könnten.

Das Publikum, gewöhnt an die klassische Kunstauffassung eines Ingres, fremdelt fast zwangsläufig mit dem impressionistischen Stil. Bestärkt wird es durch Kritiker wie Albert Wolff, der im Figaro über Renoirs Halbakt sarkastisch schreibt: „Versuchen Sie, Renoir zu erklären, dass der Körper einer Frau nicht ein Stück faules Fleisch mit grünen und violetten Flecken ist, die den Zustand völliger Verwesung eines Leichnams kennzeichnen.“

Einfach ignorieren ist keine Option für die unkonventionellen Malerinnen und Maler – sie müssen sich mit der konservativen Kunstszene auseinandersetzen. Denn nur die Teilnahme am Pariser Salon verschafft ihnen Sichtbarkeit bei Kritik, Kunsthandel und Öffentlichkeit und damit die Aussicht, von der Malerei leben zu können. Und so klopfen auch Monet, Pissarro, Manet, Morisot, Cézanne und die anderen Jahr um Jahr erneut an diese Tür – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg.

Bis sie die Sache vor 150 Jahren selbst in die Hand nehmen.

Es gibt in Paris kaum fünfzehn Kunstfreunde, die fähig sind, einen außerhalb des Salons stehenden Maler anzuerkennen. Mindestens 80.000 aber kaufen jedes Stück Leinwand, wenn der Künstler im Salon vertreten ist.

Pierre-Auguste-Renoir an den Kunsthändler Durand-Ruel

Die Wegbereiter

Den Weg zur Moderne ebnet bereits eine Generation früher: Französische Landschaftsmaler verlassen ab den 1830er Jahren ihre Ateliers, um draußen, „sur le motif“, zu malen.

Théodore Rousseau, Camille Corot, Gustave Courbet, Jean-François Millet, Charles-François Daubigny und andere zogen in den jahrhundertealten Wald von Fontainebleau bei Barbizon, damals zwei Zugstunden von Paris entfernt – im Gepäck eine bahnbrechende neue Erfindung: Farbe in wiederverschließbaren Tuben.

Das Malen im Freien war suspekt, und noch mehr galt das für die Motive: Wälder, Lichtungen, Flüsse dienten traditionell allenfalls als Kulisse für ein mythologisches, religiöses oder historisches Bildthema. Doch statt im Atelier eine Ideallandschaft zu komponieren, schufen die frühen Pleinair-Maler realistische Natur-Idyllen – und sie erweiterten die Motive: Daubigny dokumentierte in den 1840er Jahren mit Schornsteinen, Dampfschiffen, Fabriken den Wandel Frankreichs vom Agrar- zum Industriestaat. Millet, der morgens im eigenen Gemüsegarten in Barbizon in der Erde wühlte, erhob den ungeschönten Arbeitsalltag der Bäuerinnen und Bauern zum Sujet: Sein „Kornschüttler“ erregte Aufsehen im Salon des Revolutionsjahres 1848, und 15 Jahre später sorgte sein „Mann mit der Hacke“ noch immer für einen Skandal.

Mit seinem Realismus eckte auch dessen wichtigster Vertreter an – und wurde nebenbei in Sachen Selbstvermarktung zum Vorbild: Courbet errichtete zur Weltausstellung 1855, nachdem die Jury den Großteil seiner Bilder abgelehnt hatte, kurzerhand seinen eigenen „Pavillon du Réalisme“ und präsentierte 40 Werke – frech in unmittelbarer Nachbarschaft des Salons.

Imago/ Artokoloro
Jean-Francois Millet: Der Mann mit der Hacke, um 1860. Öl auf Leinwand.
Imago/Superstock
Charles-Francois Daubigny: Die Seine bei Mantes, um 1856. Öl auf Leinwand.
Imago/Heritage Images
Gustave Courbet: Begegnung oder Bonjour, Monsieur Courbet, 1854. Öl auf Leinwand.

„Malerei von Demokraten“ sei all das, befand angewidert Graf Nieuwerkerke, der Direktor der Schule der Schönen Künste, „Malerei von Männern, die ihre Wäsche nicht wechseln und sich der guten Gesellschaft aufdrängen wollen“. Der nächsten Generation von Künstlerinnen und Künstlern, die eigene Wege beschreiten wollen, wird es nicht besser ergehen.

Paris im Umbruch

Als die angehenden Impressionisten um die Mitte des 19. Jahrhunderts nach Paris kommen, um hier Malerei zu studieren, erlebt Frankreichs Hauptstadt die radikalste Veränderung ihrer Geschichte.

Im Auftrag Napoleons III. ersetzt Stadtplaner Baron Haussmann die alten Wohnhäuser durch hohe Neubauten, die Gassen weichen großzügigen Plätzen und sternförmig angelegten, breite Boulevards, Grünanlagen entstehen, Kaufhäuser, Restaurants, Cafés. Neue Bahnhöfe verknüpfen Stadt und Umland. Paris wird zur Metropole des Industriezeitalters und zur Hauptstadt der Künste.

An deren Institutionen jedoch hält man an den althergebrachten Regeln der klassischen Malerei fest. Man lehre „das Schöne, wie man Algebra lehrt“, befand resigniert der Romantiker Eugène Delacroix. Degas, zeitweilig Schüler an der École des Beaux-Arts, notiert in sein Tagebuch: „Dieser ganze Betrieb stumpft die Sinne ab und fälscht das Urteil“.

Mehr Freiraum versprechen Einrichtungen wie die private Académie Suisse – keine Ausbildungsstätte im eigentlichen Sinn, sondern ein Atelier, an dem die jungen Männer gegen geringes Entgelt malen können – und das Atelier von Charles Gleyre, der zwar Lehrer an der staatlichen Kunstschule ist, seinen Privat-Schülern aber mehr Raum zur Entfaltung lässt. An diesen Orten lernen sie sich Ende der 1850er, Anfang der 1860er Jahre kennen: Die fast gleichaltrigen Cézanne, Monet, Renoir und Frédéric Bazille und die älteren Degas und Pissarro. Der Freigeist Manet wird für sie zum Vorbild, auch wenn er sich der Gruppe nie richtig zugehörig fühlt.

Die Freunde malen gemeinsam, erkunden auf ihren Ausflügen ins Umland die Reflexionen der Sonne auf dem Wasser, studieren, wie das Tageslicht die Farbe des Schnees verändert. In Paris halten sie die neue urbane Geschäftigkeit mit dem Pinsel fest, diskutieren abends in Lokalen wie dem Café Guerbois im Quartier des Batignolles darüber, wie sich die Malerei vom erstickenden Akademismus befreien lässt. Ausgeschlossen aus den meisten dieser Aktivitäten bleibt Berthe Morisot. Ihr Ziel, Künstlerin zu werden, verfolgt sie beharrlich, unter anderem als Schülerin Corots, in Freundschaft verbundene Kollegin Manets – vor allem aber inspiriert durch die Bildhauerin Adèle Colonna.

Typisch Impressionismus!

Ob Landschaften, Genrebilder, Porträts oder Stillleben: Immer sind Licht und Farbe die eigentlichen Themen des Impressionismus. Ihre Vertreterinnen und Vertreter suchen alltagsnahe Motive und setzen sie mit lebhaften Farben, in lockerer Pinselschrift und ungewöhnlichen Perspektiven in Szene.

Beeinflusst wird die Entwicklung des Stils durch Neuerungen wie Farbe in Tuben und tragbare Staffeleien – beides ermöglicht die Pleinairmalerei – und nicht zuletzt durch die noch junge Technik der Fotografie, die die Sehgewohnheiten zu verändern beginnt.

Impressionistische Bilder wirken oft verwischt, wie eine unscharfe Fotografie, und die Motive haben eine enorme Leuchtkraft. Wie machen die Impressionist:innen das?

Hier können Sie sich die Vorgehensweise im Detail anschauen – so nah, wie Sie einem Bild selten im Museum kommen. Erkunden Sie die Gemälde und entdecken die Merkmale impressionistischer Malerei. Über die Pfeilsymbole navigieren Sie durch die einzelnen Bildelemente.

Eines Morgens ging einem von uns das Schwarz aus. Er benutzte Blau: Der Impressionismus war geboren.

Frédéric Bazille, Impressionist

Weiß existiert nicht in der Natur. Sie haben über dem Schnee Himmel. Ihr Himmel ist blau, dieses Blau muss im Schnee erscheinen. Morgens ist Grün und Gelb im Himmel. Auch diese Farben müssen im Schnee auftauchen...

Pierre-Auguste Renoir, Impressionist

Jedes Gemälde zeigt etwas, in das sich der Maler verliebt hat.

Alfred Sisley, Impressionist

Der Impressionismus ist nicht nur ein neuer, sondern ein ebenso nützlicher Weg der Betrachtung. Das ist, als würde ein Fenster aufgestoßen und Sonne und Licht strömten ins Haus.

Marie Bracquemond, Impressionistin

Im Prinzip wollten wir keine Schule , wir lieben Delacroix, Courbet, Daumier und alle, die etwas im Magen haben, und die Natur, die Natur, die unterschiedlichen Eindrücke, die wir haben, all unser Anliegen. Wir lehnen alle künstlichen Theorien ab.

Camille Pissarro, Impressionist

Der Salon der Abgelehnten

1863 kommt Bewegung in das verhasste System. Eine besonders strenge Jury hat mehr als die Hälfte der rund 5000 eingereichten Bilder durchfallen lassen, darunter auch alle von Manet, Pissarro und Cézanne. Die Proteste werden so laut, dass Napoleon III. den abgelehnten Künstler:innen zugesteht, ihre Werke in einer Parallel-Ausstellung zu zeigen.

Manet präsentiert im „Salon des Refusés“ sein Skandalbild „Das Bad“ (später: „Frühstück im Grünen“) und wird im Jahr darauf in der Hauptausstellung berücksichtigt, ebenso wie Pissarro, Morisot und Renoir. Monet schafft den Einzug in den Salon erstmals 1865 – und feiert dort seinen ersten Erfolg. Doch der erweist sich für die jungen Avantgardisten als wechselhaft: Mit Ausnahme von Morisot, die quasi Stammgast im Salon wird, erleben sie immer wieder Rückschläge. 1867 ist Monet der Abhängigkeit von der Jury überdrüssig und schlägt eine Ausstellung in Eigenregie vor. Manet hält davon nichts: „Der Salon ist der wirkliche Kampfplatz. Dort muss man in die Schranken treten.“ Morisot sieht keinen Widerspruch darin, beide Wege parallel zu beschreiten.

Bazille berichtet seiner Familie von den Plänen.

Der Jury schicke ich nichts mehr. Es ist wirklich zu lächerlich (…), ihren Launen ausgesetzt zu sein. … Dieser Meinung sind außer mir noch ein Dutzend begabter junger Leute. Wir haben deshalb beschlossen, jedes Jahr ein großes Atelier zu mieten, in dem wir so viele Arbeiten ausstellen können, wie wir wollen. Die Maler, die uns gefallen, werden wir auffordern, ihre Bilder einzusenden. Courbet, Corot, Diaz, Daubigny und viele andere, die ihr vielleicht nicht kennt, haben uns schon Bilder versprochen und begrüßen unsere Idee lebhaft. Mit diesen Leuten und Monet, der stärker ist als sie alle, glauben wir sicher Erfolg zu haben. Ihr werdet sehen, dass man von uns sprechen wird.

Frederic Bazille an seine Familie, 1867

Die Umsetzung des Vorhabens erlebt Bazille nicht mehr mit. Nachdem die Gruppe zunächst das nötige Geld nicht zusammenbekommen hat, durchkreuzt der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 die Pläne. Der aufstrebende Maler Bazille wird Soldat – und stirbt an der Front durch eine preußische Kugel.

Der Impressionismus macht sich selbständig

1873 machen die Freunde einen neuen Anlauf. Sie gründen die „Anonyme Gesellschaft der Kunstmaler, Bildhauer, Grafiker usw.“, suchen geeignete Räume und Gleichgesinnte, die mit ihnen ausstellen wollen. Der Fotograf Nadar stellt seine gerade aufgegebenen Atelierräume am Boulevard des Capucines zur Verfügung. Zur Bestreitung der Kosten zahlen alle Ausstellenden einen festgelegten Betrag in die Gemeinschaftskasse und verpflichten sich, aus etwaigen Verkäufen weitere zehn Prozent abzugeben.

Imago
Vor ihm lupft man besser den Hut ... Die Promenade der Kritiker. Karikatur von Honoré Daumier, erschienen in Charivari, 1865.

Innerhalb von vier Wochen besuchen rund 3500 Menschen die „Ausstellung der Impressionisten“, wie Kritiker Leroy seine Besprechung überschreibt. Der Salon zählt im gleichen Zeitraum rund 400.000. Obwohl es im Ganzen mehr wohlwollende als negative Reaktionen gibt, bleiben vor allem die harschen Urteile hängen: Von einer „Kriegserklärung an das Schöne“ ist die Rede, einer „Ausstellung von Skizzen“, von „flüchtige(n) Impressionen (…), die man uns zu vollendeten Werken erklärt“. Ein Bekannter der Familie warnt die Mutter von Berthe Morisot vor dem Umgang mit den Malern, denn „bei allen stimmt es nicht ganz im Oberstübchen“. Über Monets „Impression, Sonnenaufgang“ fällt Leroy eines der gehässigsten Urteile: „Eine Tapete im Embryonalzustand ist weiter ausgereift als dieses Seestück“.

Doch es gab auch andere Stimmen:

Hier ist Talent, sogar viel Talent. Die jungen Maler begreifen sie Natur in einer Art, die weder langweilig noch abgedroschen, vielmehr lebendig, scharf, flott, einfach bestrickend ist. Welch schnelles Erfassen des Motivs, welch ergötzliche Malweise! Zugegeben, sie ist summarisch, aber wie richtig ist alles angedeutet!

Der Kunstkritiker Jules Antoine Castagnary

Finanziell wird das Projekt ein Reinfall. Die Societé löst sich bald mit einem Defizit auf. Der ersten folgen dennoch sieben weitere Gruppenausstellungen, wenn auch mit abnehmender und wechselnder Beteiligung. Die Kritik bleibt bissig (...fünf oder sechs Wahnsinnige, darunter eine Frau...“), der Verkaufserlös mager. Das Kollektiv zerfällt über Meinungsverschiedenheiten – über Geld, das Reglement, die Aufnahme weiterer Ausstellenden (unter anderem stoßen Paul Gauguin, Mary Cassatt und Gustave Caillebotte dazu) und nicht zuletzt über die Haltung zum Salon. Einige, wie Monet und Renoir, konzentrieren sich wieder auf die Teilnahme an der offiziellen Kunstschau. Nur Pissarro nimmt an allen acht Ausstellungen der „Unabhängigen“ teil.

Bei der letzten im Jahr 1886 hängen auch Bilder von Georges Seurat und Paul Signac an den Wänden. Sie schicken sich an, mit ihrem Pointillismus eine Stilart des Post-Impressionismus zu entwickeln, und gehören zu den Gründern der „Gesellschaft unabhängiger Künstler“, die fortan einen zweiten, Jury-freien Salon organisiert, den Salon des Indépendants. Nach den Realisten von Barbizon haben impressionistische Malerinnen und Maler (nebenbei) die Ära der Sezessionen eingeläutet – und der Moderne die Türen noch weiter geöffnet.