Die Mission zum Mond

Die größte Reise des Jahrtausends

Es war die wohl ehrgeizigste Mission der Menschheitsgeschichte: Im Juli 1969 machten sich erstmals Menschen auf den Weg zum Mond. Die Mission Apollo 11 war von zahlreichen Problemen und Pannen begleitet - und von Frauen und Männern, die sie zu lösen wussten.

Von Pamela Dörhöfer und Tanja Banner

Wer diesen Moment live vor dem Fernseher erlebt hat, wird ihn wohl nie vergessen: jenen Augenblick, als auf grobkörnigen Schwarz-Weiß-Bildern eine Gestalt mit riesigem Helm und weißem Ganzkörperanzug, ein Köfferchen auf dem Rücken, langsam die Leiter eines staksig wirkenden Gefährts hinunterstieg, seinen in einen dicken Stiefel gepackten linken Fuß vorstreckte und ihn auf die Oberfläche eines rund 400.000 Kilometer entfernten Ortes setzte.

In Mitteleuropa war es 3.56 Uhr am 21. Juli 1969, einem Montag, an der US-Ostküste der 20. Juli, 22.56 Uhr, als Neil Armstrong den Mond betrat. Erstmals haben Menschen ihren Heimatplaneten verlassen und sind auf einem anderen Himmelskörper gelandet. Noch heute vermag die Erinnerung daran Gänsehaut auszulösen.

„... Ich bin am Fuße der Leiter. Die Füße des LM [Lunar Module] sind nur etwa 1 oder 2 Zoll in die Oberfläche eingedrückt, obwohl die Oberfläche sehr, sehr feinkörnig zu sein scheint, wenn man ihr näher kommt. Es ist fast wie ein Puder. ...

Okay. Ich werde jetzt das LM verlassen.

Das ist ein kleiner Schritt für (einen) Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit."

Neil Armstrong

Damals verfolgten rund 600 Millionen Menschen auf der Erde, wie sich Neil Armstrong und wenig später auch Buzz Aldrin auf der grauen, wüstenähnlichen Mondoberfläche mit etwas ulkig und ungelenk anmutenden Sprüngen fortbewegten. Nie zuvor hatten so viele Zuschauer gleichzeitig eingeschaltet – und die Fernsehbilder vermittelten ihnen allen das Gefühl, irgendwie selbst mit dabei zu sein.

Viereinhalb Tage waren seit dem Start der Apollo-11-Mission der US-Raumfahrtbehörde Nasa in Florida vergangen, weniger als neun Jahre hatten die Vorbereitungen gedauert; angesichts der Ungeheuerlichkeit des Vorhabens eine außerordentlich kurze Zeitspanne. Wie nicht selten waren der großen Leistung Niederlagen vorangegangen – im Falle der USA nicht eine, sondern eine ganze Serie, im Weltraum und auf der Erde gleichermaßen.

Die Sowjets, erbitterte Kontrahenten im Kalten Krieg, hatten 1957 mit ihrem ersten künstlichen Satelliten in der Erdumlaufbahn für den „Sputnik-Schock“ gesorgt und danach weitere Male ihre Überlegenheit in der Raumfahrt demonstriert – bis hin zum 12. April 1961, als in Person von Juri Gagarin der erste Mensch ins All flog. Im gleichen Monat scheiterte die US-Army bei ihrem Versuch, auf Kuba einzumarschieren und das kommunistische Regime von Fidel Castro zu stürzen.

Etwas Spektakuläres musste her, um die mehrfache Schmach vergessen zu machen und die Konkurrenz auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs zu übertrumpfen. Etwas positiv Besetztes, das gleichzeitig dazu angetan war, den Gegner einzuschüchtern, ohne Waffen bemühen zu müssen.

Nasa
Auszüge aus der Rede Kennedys vor dem Kongress am 25. Mai 1961

Am 25. Mai 1961 preschte US-Präsident John F. Kennedy im Kongress vor. „Es ist an der Zeit, größere Schritte zu unternehmen, Zeit für ein neues amerikanisches Vorhaben, Zeit, dass dieses Land eine Führungsrolle in der Raumfahrt übernimmt, die in vielerlei Hinsicht der Schlüssel zu unserer Zukunft hier auf der Erde sein könnte… Ich glaube, dass dieses Land es sich zum Ziel setzen sollte, noch vor dem Ende dieses Jahrzehnts einen Menschen auf den Mond zu schicken und ihn sicher wieder zur Erde zurückzuholen.“

Für die künftigen Mondmissionen wählte die Nasa den Namen Apollo, benannt nach dem griechischen Gott des Lichts, der auf einem Triumphwagen zur Sonne reitet. Nicht einmal zehn Jahre blieben der Raumfahrtbehörde, um die Vorgabe des Präsidenten zu erfüllen.

Nasa
Neil Armstrong und Buzz Aldrin (r.) mussten auf der Erde für die Mission üben. In Texas lernten sie bei einem geologischen Workshop, wie man unterschiedliche Gesteinsarten unterscheidet und wie man eine für die Umgebung repräsentative Bodenprobe nimmt.
Nasa
Diese Kenntnisse konnten sie mehrere Monate später auf dem Mond gut gebrauchen: Dort sammelten die Astronauten etwa 22 Kilogramm Mondgestein ein, das sie mit zur Erde brachten.
Nasa
Bevor die Astronauten Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins (v.l.) am 16. Juli 1969 zu ihrer Reise zum Mond aufbrachen, gaben sie am 5. Juli eine Pressekonferenz. Die drei Astronauten saßen dabei in einer Art Glaskasten, der sie so kurz vor der wichtigen Mondmission vor ansteckenden Krankheiten schützen sollte. Die anwesenden Journalisten konnten ihre Fragen über eine Art Gegensprechanlage stellen. Die Nasa sprach damals von „halbisolierten Bedingungen“.

In einer gewaltigen gemeinschaftlichen Anstrengung, mit sehr viel Geld, Beharrlichkeit und unbedingtem Willen gelang es, den Zeitplan einzuhalten, wenngleich knapp. Selbst politische Krisen und schreckliche Ereignisse wie der Bau der Berliner Mauer, die Ermordung John F. Kennedys 1963, die seines Bruders Robert und des Bürgerrechtlers Martin Luther King 1968 oder der Vietnamkrieg ließen die USA nicht davon abrücken, auch nicht die Katastrophe von Apollo 1, bei der während eines Bodentests für den Start am 27. Januar 1967 Feuer ausbrach und alle drei Astronauten in der Kapsel ums Leben kamen.

dpa-Grafik

Nach Kennedys Ankündigung wurde das Budget der Nasa um 400 Prozent erhöht, in der Summe ließen sich die USA das Apollo-Programm 24 Milliarden Dollar kosten, etwa 120 Milliarden nach heutigen Maßstäben. Doch die Bereitstellung des Geldes war nur die eine Sache: Jede Menge Spezialisten mussten rekrutiert und auch externe Partner hinzugezogen werden, so waren laut Nasa 20 000 Unternehmen und Universitäten am Apollo-Programm beteiligt. Der enorme Zeitdruck verlangte, dass alles schnell gehen musste. Deshalb stellte die Nasa viele neue Mitarbeiter direkt ein, ohne Vorstellungsgespräch.

Nicht so genau hingesehen beziehungsweise bewusst weggesehen hatte man Jahre vorher bereits beim führenden Nasa-Raketeningenieur Wernher von Braun, der einst in Diensten der Nationalsozialisten die V2-Rakete konzipiert hatte. Für die Nasa entwickelte er die Saturn V-Trägerrakete, die Apollo 11 und alle folgenden Apollo-Missionen sicher zum Mond brachte. Ein 2900 Tonnen schwerer, aus mehr als fünf Millionen Einzelteilen bestehender Koloss, hoch wie ein Wolkenkratzer, ausgestattet mit elf Triebwerken und im Wesentlichen bestehend aus drei übereinander gesteckten Raketenstufen.

dpa/FR

Neben der Rakete galt es auch, alle anderen Arten von Raumfahrzeugen zu bauen: eine Kommandokapsel und vor allem eine Fähre, die auf dem Mond mit seiner geringen Schwerkraft landen – und auch wieder von ihm starten musste. Es waren die bis dahin kompliziertesten von Menschen geschaffenen Maschinen.

Da ein direktes Hochschießen und Absetzen auf dem Mond nicht praktikabel war, musste eine ausgeklügelte Reiseroute geplant und ein geeigneter Landeplatz gefunden werden. Die Wahl fiel auf das Mare Tranquillitatis, das „Meer der Ruhe“ im Osten der Vorderseite nahe des Äquators.

dpa-Grafik

Und natürlich konnte man auch nicht einfach losfliegen, Manöver im All wie das Andocken von Raumfahrzeugen mussten zunächst geübt werden. Diesem Zweck dienten das Gemini-Programm und die ersten Apollo-Missionen. Auch auf der Erde versuchten Astronauten, Situationen im Weltraum zu trainieren, in der Wüste und im Dschungel. „Es gab niemanden, der das schon einmal gemacht hätte und uns sagen konnte, was wir zu tun hatten, denn niemand hatte die nötigen Erfahrungen“, erzählte Neil Armstrong später.

Die Apollo-11-Crew: Freunde waren sie nicht

Armstrong war ebenso wie die beiden anderen Astronauten von Apollo 11, Edwin „Buzz“ Aldrin und Michael Collins, vor seiner Zeit bei der Nasa Pilot gewesen. Freunde wurden die Drei nie. Mike Collins, Pilot der Kommandokapsel, bezeichnete die Besatzungsmitglieder später einmal als „einander freundlich gesinnte Fremde.“ Das klingt wenig romantisch, funktioniert hat es trotzdem.

Buzz Aldrin - „Dr. Rendezvous“

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Buzz Aldrin

Buzz Aldrin wurde am 20. Januar 1930 als Edwin Eugene Aldrin Jr. im US-Bundesstaat New Jersey geboren, seit 1988 legte er seinen Geburtsnamen offiziell ab. Buzz Aldrin wurde 1963 der erste promovierte Nasa-Astronaut. Seine Doktorarbeit beschäftigte sich damit, wie man zwei Raumfahrzeuge im All miteinander koppeln kann und sorgte für seinen Spitznamen bei der Nasa: „Dr. Rendezvous“. Nachdem Buzz Aldrin als Teilnehmer von Apollo 11 feststand, warb er vehement dafür, als erster Mensch den Boden des Mondes betreten zu dürfen. Letztendlich war er der zweite Mensch auf dem Mond – was er in der Wahrnehmung seiner Kollegen eher als Niederlage denn als Ehre sah. Da jedoch Neil Armstrong die Aufgabe hatte, die Mission auf dem Mond fotografisch zu dokumentieren, zeigen die meisten Bilder von Apollo 11 Aldrin auf der Mondoberfläche – und nicht Armstrong.

1971 verließ Aldrin die Nasa. Wie seine Mutter litt Aldrin an Depressionen und begann, zu trinken und Medikamente zu nehmen, was er erst einige Jahre später in den Griff bekam. In seiner Autobiografie „Rückkehr auf die Erde“ schreibt er, der schwerste Teil seines Lebens habe darin bestanden, dem entgegenzutreten, was ihn bei der Rückkehr vom Mond zur Erde erwartete.

Buzz Aldrin bemüht sich, die Weltraumforschung populär zu machen. Unter anderem wirbt er für eine bemannte Mission zum Mars. Aldrin hält mit 86 Jahren den Rekord als ältester Mensch, der den Südpol erreicht hat. Nach Aldrin sind ein Mondkrater und ein Asteroid benannt.

Michael Collins - der „einsamste Mensch der Welt“

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Michael Collins

Michael Collins, am 31. Oktober 1930 in Rom geboren, gilt als der „vergessene Astronaut“ der historischen Mondmission. Sein Name ist der am wenigsten bekannte der drei Besatzungsmitglieder, sogar der damalige US-Präsident Richard Nixon erwähnte ihn bei seinem Gruß an Apollo 11 nicht.

Während Neil Armstrong und Buzz Aldrin den Mond erkundeten, blieb Collins in der Raumschiff „Columbia“ und kreiste mit ihr um den Mond. „Du bist wahrscheinlich der Einzige weit und breit, der kein Fernsehen hat“, sagte ihm über Funk ein Mitarbeiter der Nasa. Dafür sah der frühere Kampfflieger und Testpilot die Rückseite des Mondes und dreißigmal vom Fenster aus die Erde am Horizont des Mondes aufgehen.

Nach der Rückkehr zur Erde beschrieb Collins die Ängste und Sorgen um seine Kollegen auf dem Mond während seiner Zeit als „einsamster Mensch der Welt“. Tatsächlich hatte er die ausgewählte Landestelle als extrem unwirtlich empfunden, seine Bedenken jedoch für sich behalten. Heue ist auf dem Mond ein Krater nach Michael Collins benannt.

Neil Armstrong - der Antiheld

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Neil Armstrong

Von ihm stammt einer der berühmtesten Sätze des 20.Jahrhunderts, ja eigentlich der gesamten Menschheitsgeschichte: „That’s one small step for (a) man, one giant leap for mankind“, „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit.“ Das „a“ war auf der Erde allerdings nicht zu hören, was später mit Störungen in der Übertragung erklärt wurde.

Armstrong war einer, der die leisen Töne dem großen Auftritt vorzog, die Sache und nicht die Person in den Fokus rückte, eigentlich ein Antityp zum amerikanischen Packen-wir-es-an-Helden – und schien gerade deshalb so geeignet, der erste Mensch auf dem Mond zu werden.

Neil Armstrong, am 5. August 1930 in Ohio geboren, liebte das Fliegen seit seiner Kindheit, nahm schon als 15 Jahren die ersten Stunden, studierte später Luftfahrtechnik, war Kampfpilot im Koreakrieg und später Testpilot bei der Nasa, bevor er 1962 Mitglied in der zweiten Astronautengruppe wurde. Bereits zwei Jahre nach der historischen Mondmission verließ Neil Armstrong die Nasa, um an der University of Cincinnati als Professor für Luft- und Raumfahrttechnik zu lehren. Als zweiter Vorsitzender der nationalen Kommission für Raumfahrt war er ab 1986 an der Aufklärung der Challenger-Katastrophe beteiligt.

Zeit seines Lebens blieb Neil Armstrong ein starker Befürworter der bemannten Raumfahrt. 2004 rief er dazu auf, Präsident George W. Bush in seinen Plänen für künftige Missionen zum Mond und Mars zu unterstützen. Als Barack Obama 2010 den Mond als Ziel bemannter Raumflüge der Nasa strich, kritisierte er das scharf. Neil Armstrong starb am 25. August 2012 an Komplikationen in Folge einer Bypass-Operation.

16. Juli 1969, 9:32 Uhr Ortszeit: Saturn V hebt ab

Der Start von Apollo 11 fand am 16. Juli 1969 statt, einem Mittwoch. In Cape Canaveral herrschten beste Wetterbedingungen, bei 30 Grad dürften die 5000 Ehrengäste auf den Tribünen allerdings kräftig geschwitzt haben.

Majestätisch, man kann kein treffenderes Wort finden, hob sich die riesige Rakete auf der Startrampe 39A gegen den blauen Himmel ab, an ihrer Spitze die Kommandokapsel „Columbia“, in der die drei Astronauten dicht gedrängt saßen. Mehr als eine Million Menschen hatten sich in und rund um Cape Kennedy versammelt. Sie sahen, wie die Saturn V um 9.32 Uhr Ortszeit mit donnernden Triebwerken, umgeben von Qualm, Dampf und Flammen, kerzengerade nach oben schoss und dann mit einer Geschwindigkeit von 28.200 Stundenkilometern ins All entschwand.

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Start der Rakete Saturn V.

Auf dem Boden übernahm wenig später das Flugkontrollzentrum in Houston die Begleitung, während die Astronauten bewundern konnten, wie die Erde zu einer Kugel wurde. „Es war ein beeindruckendes Erlebnis, den Planeten zu verlassen und zu erkennen, dass es von allein keinen logischen Grund für das Raumschiff gab, je wieder auf ihn zurückzustürzen“, erinnerte sich Armstrong. „Das zeigte uns, welch eine herausragende Leistung wir erbringen mussten, um heimzukehren.“

Schon gewusst?

Betten gab es im Raumschiff nicht. Zwei schliefen in Hängematten, der Dritte auf einer Couch, in der Schwerelosigkeit gesichert durch einen Beckengurt.

Nach einer Nacht an Bord erhielten die drei Astronauten Nachrichten von der Erde und erfuhren, dass die sowjetische Raumsonde Luna 15 die Mondumlaufbahn erreicht hatte. Sie war drei Tage vor dem Start von Apollo 11 ins All geschossen worden – ein verzweifelter Versuch, den Amerikanern die Schau zu stehlen. Luna 15 sollte auf dem Mond landen und Bodenproben zur Erde bringen, bevor dies Apollo 11 gelang. Doch die Mission scheiterte kläglich: Sie stürzte am Tag nach der Mondlandung ab.

Während des Flugs zum Mond sendeten die drei Astronauten mehrmals live aus ihrer Kapsel. Sie zeigten die Erde von oben, vollführten Kunststückchen in der Schwerelosigkeit. Nach vier Nächten in der engen Kapsel zogen sich die Astronauten ihre Raumanzüge an. In voller Montur stiegen Armstrong und Aldrin in die Landekapsel „Eagle“, in der es aus Platzgründen keine Sitze gab, nur Fußhalterungen mit Klettverschlussstreifen, Haltegriffe und Armlehnen. 56 Minuten nach der Trennung von der „Columbia“ zündeten Armstrong und Aldrin das Abstiegstriebwerk der Mondlandefähre, die „Eagle“ trat in den Landeorbit ein.

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Neil Armstrong vermeldet die Landung auf der Mondoberfläche: „The eagle has landed“

Dann aber leuchtete eine gelbe Warnlampe auf und es ertönte ein Alarmsignal des Computers – und weitere sollten folgen. Auslöser war eine Überlastung des Bordcomputers: Er hatte zu viele Aufgaben gleichzeitig zu bewältigen, wie die Bodencrew anhand des Fehlercodes herausbekam. Doch schnell kam die Entwarnung: Der Computer war darauf programmiert, unwichtigere Aufgaben zu ignorieren, wenn es wichtige Aufgaben gab.

Kaum war das überstanden, wartete die nächste Herausforderung auf die beiden Astronauten: eine geeignete Landestelle finden und dort landen, bevor der Mondlandefähre der Treibstoff ausgeht. Etwa 30 Meter über der Oberfläche waren nur noch fünf Prozent der ursprünglichen Treibstoffmenge übrig. Doch alles ging gut. Die Mondlandefähre setzte sanft auf und Armstrong sprach die ersten historischen Worte: „Houston, hier Tranquility Base. Der Adler ist gelandet.“

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Konzentration und sichtbare Anspannung im Kontrollzentrum der Nasa: Wird alles gutgehen?
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Erleichterung nach dem gelungenen Start: Die Nasa-Offiziellen Charles W. Mathews, Wernher von Braun, George E. Mueller (im Vordergrund, von links).
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Jubel im Kontrollzentrum nach der geglückten Rückkehr der Astronauten auf die Erde am 24. Juli 1969.

Jubel brach aus, selbst diejenigen, die in den USA in Zeiten des Vietnamkriegs nicht gut auf ihr Land zu sprechen waren, hielten die Mondlandung für eine außergewöhnliche Leistung. Neil Armstrong und Buzz Aldrin hatten keine Zeit, ihren Erfolg zu feiern. Sie schüttelten sich die Hand, klopften sich gegenseitig auf die Schulter – und widmeten sich wieder ihren Checklisten.

Ein besonderes Problem stellte die Enge in der Mondlandefähre dar: Sie erschwerte das Anziehen der Anzüge. „Wir fühlten uns wie zwei Footballspieler, die in einem Igluzelt die Plätze wechseln wollten“, erinnerte sich Buzz Aldrin später. Schließlich hatten es die Astronauten geschafft, sich anzukleiden, den Kabinendruck zu senken und die Luke nach draußen zu öffnen. Armstrong kroch rückwärts durch die kleine Öffnung, die ihn auf dem Mond führte.

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Buzz Aldrin zwängt sich als zweiter Astronaut aus der Mondlandefähre „Eagle“ und klettert die Leiter hinunter zur Mondoberfläche. Aldrin ist der einzige Astronaut von „Apollo 11“, von dem Bilder auf dem Mond existieren. Neil Armstrong hat ihn einige Male fotografiert, unter anderem neben der amerikanischen Flagge oder beim Aufbau von Experimenten – während Aldrin bei seinen Einsätzen als Fotograf schlicht vergessen hatte, den ersten Menschen auf dem Mond abzulichten.
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Von Neil Armstrong gibt es nur ein Foto, das ihn auf dem Mond zeigt - aber auch nur indirekt: Armstrong spiegelt sich im Visier Buzz Aldrins, den er auf der Mondoberfläche fotografiert hat. Nachträglich ärgerten sich die Verantwortlichen darüber, dass es nicht geplant war, die Astronauten auf dem Mond zu fotografieren.

Zu den Aufgaben der Astronauten auf dem Mond zählten neben Experimenten auch repräsentative Pflichten: Zuerst enthüllten sie eine Plakette mit der Inschrift „Hier haben Menschen vom Planeten Erde im Juli 1969 n. Chr. den Mond betreten. Wir kamen in Frieden für die ganze Menschheit.“

Außerdem sollten sie eine amerikanische Flagge aufstellen – was gar nicht so einfach war und fast zu einem PR-Desaster geworden wäre: Den Astronauten gelang es nicht, den Mast tief genug in den Grund zu drücken – und so fürchteten sie die ganze Zeit, die amerikanische Flagge könnte vor den Augen des weltweiten Fernsehpublikums in den Mondstaub fallen.

So berichtete die Frankfurter Rundschau von der Mondlandung

Ein Stück Zeitgeschichte: Blättern Sie in Zeitungsseiten von 1969 und lesen Sie nach, wie die FR damals über die Apollo-11-Mission berichtete. Wir haben für Sie Original-Ausgaben aus dem Archiv gefischt und zu einem 14-seitigen PDF zusammengestellt. Hier können Sie es kostenlos herunterladen.

Nach zwei Stunden und 31 Minuten kehrten Aldrin und Armstrong in die Mondlandefähre zurück. „Ich weiß noch, wie ich dachte: Mann ich würde gern länger draußen bleiben, weil es noch weitere Dinge gibt, die ich gern sehen und tun würde“, erinnert sich Armstrong in seiner Biografie. Die Mondlandschaft beschrieb er als „fremdartig, aber sehr schön“.

„Hallo Neil und Buzz! Ich spreche zu Ihnen per Telefon aus dem Oval Room des Weißen Hauses. Dies ist gewiss der historischste Telefonanruf, der jemals aus dem Weißen Haus getätigt wurde.

Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie stolz wir alle sind auf das, was Sie getan haben. Für jeden Amerikaner ist dies der stolzeste Tag unseres Lebens. (...)

In diesem einen unbezahlbaren Moment in der Geschichte sind alle Menschen auf der Erde vereint – vereint im Stolz auf das, was Sie getan haben, und vereint im Gebet, dass Sie sicher zur Erde zurückkehren."

Richard Nixon

Nachdem beide Astronauten wieder in der Kapsel angekommen waren, warfen sie allen überflüssigen Ballast von Bord – neben Müll blieben unter anderem auch die Kameras auf dem Mond. Nur die Filme nahmen die Astronauten mit zurück zur Erde. Auch die „Eagle“ liegt auf dem Mond. Nach dem Rendezvous mit der „Columbia„ wurde die Landefähre abgestoßen. Sie trieb mehrere Jahre lang durchs All, bis sie schließlich auf den Mond stürzte.

Die Apollo-Missionen auf dem Mond

Unser interaktives Bild der Mondoberfläche zeigt die Landestellen von Apollo 11 und nachfolgender Apollo-Missionen. Die ebenfalls markierten großen, dunklen Flächen haben ihre Bezeichnung bekommen, weil sie von der Erde aus wie Meere aussehen.

Nach der Rückkehr in Quarantäne

Zweieinhalb Tage dauerte die Reise zurück zur Erde. 1740 Kilometer südwestlich von Honolulu landete die Kapsel im Pazifik. Als die drei Männer dort im Wasser trieben, wurden ihnen, die in den vergangenen Tagen die unglaublichsten Dinge getan hatten, übel.

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Am 24. Juli 1969 wasserte die Kapsel mit den drei „Apollo 11“-Astronauten im Pazifik. Zuerst hingen die Astronauten kopfüber in der Kapsel - und den Männern, die zuvor Unglaubliches geleistet hatten, wurde dabei übel. „Es war eine Sache, falsch herum zu landen“, erklärte Aldrin später. „Aber es wäre eine ganz andere gewesen, vor den Fernsehkameras aus dem Raumschiff zu steigen und dabei wild um sich zu reihern.“ Ein Helikopter und das Schiff „USS Hornet“ bargen die Astronauten schließlich. An Bord des Schiffs wurden die Raumfahrer von Präsident Richard Nixon begrüßt - aber erst, nachdem sie in eine Quarantänestation gebracht worden waren.

Nach einer knappen halben Stunde erlösten Taucher die Astronauten und überreichten ihnen biologische Schutzanzüge, die die Welt vor den vermeintlichen „Mondbazillen“ bewahren sollten. Drei Wochen musste die Crew in Quarantäne bleiben – Zeit, sich Gedanken zu machen, wie ihre Bekanntheit sich auf ihr künftiges Leben und das ihrer Familien auswirken würde. „Wir waren nicht naiv, aber wir hätten nie geahnt, wie gewaltig das Interesse der Öffentlichkeit an uns tatsächlich war“, erzählte Armstrong später seinem Biografen.

Das Interesse war riesengroß. Geschätzte vier Millionen Menschen säumten die Straßen, als die Astronauten in einer Parade durch New York zogen. Später folgte eine Tour durch die ganze Welt – die Astronauten waren Helden und wurden gefeiert wie Popstars.

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Nasa
Zurück auf der Erde und aus der wochenlangen Quarantäne befreit, wurden Neil Armstrong, Buzz Aldrin und Michael Collins wie Popstars begeistert gefeiert. Das Bild zeigt eine Parade in New York City - die nur der Start war eines 20-stündigen Tages, der die Astronauten noch zu einer Parade nach Chicago brachte und anschließend nach Los Angeles, zu einem Staatsdinner mit Präsident Richard Nixon.

Als die Computer Röcke trugen

Ohne Frauen wie Margaret Hamilton oder Katherine Johnson wäre die Mondlandung nicht möglich gewesen.

Von Tanja Banner

Etwa 400 Meter trennten das Landemodul noch von der Mondoberfläche, da meldete der Computer an Bord einen Fehler. „Programm-Alarm“, funkte Astronaut Buzz Aldrin zur Erde, „Fehler 1202“. Lampen blinkten, der Rechner war überlastet und der Treibstoff wurde langsam knapp – die Mission „Apollo 11“ stand in diesen Augenblicken kurz vor dem Abbruch. Doch dann griffen die Rettungsprogramme ein: Der Computer brach die weniger wichtigen Aufgaben automatisch ab – und die Landefähre setzte sanft auf der Mondoberfläche auf.

„Hätte der Computer das Problem nicht erkannt und entsprechend reagiert, dann bezweifle ich, dass Apollo 11 die erfolgreiche Mondlandung geworden wäre, die sie war.“ Dieser Satz stammt nicht von Neil Armstrong, Buzz Aldrin oder Michael Collins, den Astronauten der ersten Mondlande-Mission. Margaret Hamilton schrieb ihn 1971 in einem Computermagazin. Sie war für die Rettungsprogramme des Computers verantwortlich gewesen, sie war die Leiterin der Software-Abteilung des Massachusetts Institute of Technology (MIT), das für die Flugsoftware des „Apollo“-Programms zuständig war.

Draper Laboratory
Margaret Hamilton neben dem Code für die Mondlandefähre.

Hamilton ist in der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt, so wie viele andere Frauen unter den rund 400.000 Menschen, die an dem „Apollo“-Programm beteiligt waren. Aber ohne Hamilton hätte es die Rettungsfunktionen nicht gegeben. „Hamilton steht für eine Generation öffentlich unbekannter Frauen, die dabei mithalfen, die Menschheit ins All zu bringen“, sagte im Jahr 2016 der damalige US-Präsident Barack Obama, als er der bereits 80-Jährigen die Presidential Medal of Freedom verlieh. Man dürfe nicht vergessen, dass es Software-Entwicklung zu dieser Zeit als Berufsfeld noch gar nicht gab, betonte Obama.

Es war wie der Wilde Westen. Es gab keinen Kurs dafür und niemand hat das Fach unterrichtet.

Margaret Hamilton

„Als ich anfing, wusste niemand, was wir überhaupt tun“, erzählte Hamilton vor einigen Jahren dem US-Magazin „Wired“. „Es war wie der Wilde Westen. Es gab keinen Kurs dafür und niemand hat das Fach unterrichtet.“ Das Gebiet, in dem Hamilton arbeitete, war vollkommen neu. Die wenigen mechanischen Computer, die existierten, waren groß – sie füllten ganze Räume. „Programmieren“ bedeutete damals, Löcher in Lochkarten zu stanzen, die über Nacht auf einem riesigen Computer, der die Arbeit des Mondlandemoduls simulierte, verarbeitet wurden. Sobald der Code funktionierte, wurde er von einer Gruppe von Näherinnen weiterverarbeitet: Sie fädelten Kupferdrähte durch Magnetringe – ein Draht, der durch das Loch geführt wurde, war eine 1, ein Draht, der um das Loch herumgeführt wurde, war eine 0.

Code, der von Hamilton und ihrem Team stammt, wurde später auch bei der US-Raumstation Skylab eingesetzt. Hamilton entwickelte während ihrer beruflichen Laufbahn unter anderem Konzepte für prioritätsgesteuerte Aufgabenbearbeitung. Dazu gehören auch grundlegende Dinge, die bis heute die Basis verlässlicher Softwarearchitektur bilden. Hamilton gilt – neben ihrer Position als Pionierin der Softwareprogrammierung – auch als die „Erfinderin“ des Begriffs „Software Engineering“, also Softwareentwicklung, der bis heute verwendet wird.

Hamilton ist nicht die einzige Frau, die zu einer Zeit einem technisch-mathematischen Beruf nachging, als die Gesellschaft Frauen ausschließlich für Haushalt und Kindererziehung zuständig sah. Während 1960 nur 25 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern in den USA arbeitete, hatten bereits in den frühen Jahren des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der Nasa zu Beginn der 1940er Jahre Frauen dort eine zentrale Rolle: Sie wurden als „Computer“ eingestellt, als „Rechnerinnen“.

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Frauen wurden bei der Nasa als „menschliche Computer“ beschäftigt.
Nasa
Die Nasa-Mitarbeiterinnen berechneten Flugbahnen, Treibstoffverbrauch und vieles andere, das mechanische Computer jener Zeit (und Männer) noch überforderte.

Die meisten von ihnen hatten mathematische Abschlüsse oder konnten einfach sehr gut mit Zahlen umgehen. Sie berechneten zuerst für das US-Militär und später für die Raumfahrt Startfenster, Flugbahnen, Treibstoffverbrauch und andere Dinge, die die besten mechanischen Computer dieser Zeit überforderten. „Eine der Hauptaufgaben der menschlichen Computer war das Berechnen der geplanten Flugbahnen für ein Raumschiff, basierend auf dem Gewicht, der Kapazität der Rakete und der Orbitaldynamik der Planeten“, heißt es beim JPL rückblickend.

Während die Frauen bei der Nasa wichtige Aufgaben hatten, waren sie im Privatleben ihren Männern oft untergeordnet: In den 1960er Jahren durften sich Banken in den USA beispielsweise weigern, unverheirateten Frauen eine Kreditkarte auszustellen. Bis in die 70er Jahre hinein wurden viele Kreditkarten nur mit der Unterschrift des Mannes ausgegeben. Auch beim Thema Bildung hatten Frauen zu dieser Zeit das Nachsehen: Die Eliteuniversitäten Yale und Princeton akzeptierten bis 1969 keine Frauen, Harvard sogar bis 1977.

Schon gewusst?

In Ruhephasen entspannten die Astronauten bei Musik. Zu hören gab es unter anderem die „Symphonie aus der Neuen Welt“ von Antonin Dvorak, ein Wunsch von Neil Armstrong.

Noch schlechter sah es am Arbeitsplatz aus: Dort erhielten die Frauen nicht nur weniger Lohn als Männer für die gleiche Arbeit, sondern mussten teilweise auch noch Vorschriften einhalten, die ihr Aussehen betrafen. Bei der Fluglinie Pan Am gab es beispielsweise Richtlinien, die die Größe und das Gewicht der Stewardessen regulierten. Wer heiratete oder 32 Jahre alt wurde, musste den Beruf aufgeben.

Nasa
Beim Blick ins Nasa-Kontrollzentrum beim Start von „Apollo 11“ fällt es sofort auf: Es sind nur Männer anwesend. Erst beim genaueren Hinschauen erkennt man, dass unter ihnen auch eine Frau ist: JoAnn Morgan, damals 28, saß an einer der Konsolen (dritte Reihe, leicht links der Bildmitte). Sie war die erste Ingenieurin der Nasa - und hatte einige Hürden zu überwinden. obszöne Anrufe und fehlende Damentoiletten in ihrem von Männern dominierten Bereich gehörten dazu. Morgan biss sich durch und arbeitete bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 2003 im bemannten Raumfahrtprogramm der Nasa.

Auch bei der Nasa und im JPL war die Arbeit als Frau nicht ganz einfach: Manche Frau wurde wegen einer Schwangerschaft gefeuert, die Namen der Frauen wurden bei Publikationen häufig nicht angegeben und ihre Aufgaben wurden generell als „Frauenarbeit“ angesehen. Die Frauen hinter den Missionen waren lange Zeit unsichtbar, doch in den letzten Jahren haben sich Bücher und ein Hollywood-Film des Themas angenommen. Nathalia Holt, Autorin von „Rise of the Rocket Girls“ erinnert sich in ihrem Buch daran, wie schwierig es war, überhaupt herauszufinden, wer die Frauen waren. Sie habe ein Bild aus den 1950er Jahren gefunden, das eine Gruppe Frauen zeigte, die bei der Nasa arbeiteten. „Das Bild war klar und deutlich, doch die Archivare der Nasa kannten nur ein paar Namen und waren sich nicht sicher, was aus den Frauen geworden ist. Es schien, als wären ihre Geschichten im Laufe der Zeit verloren gegangen“, schreibt Holt. Anschließend machte sie sich auf die Suche nach den Frauen und fand eine ganze Gruppe, deren Geschichten sie in ihrem Buch nachzeichnet.

Der Film „Hidden Figures“, der 2017 in die Kinos kam, beschäftigt sich mit der Geschichte schwarzer Frauen, die für die Nasa als „menschliche Computer“ arbeiteten. Eine dieser Frauen, die Mathematikerin Katherine G. Johnson, erhielt 2015 vom damaligen US-Präsidenten Barack Obama die Presidential Medal of Freedom.

Nasa
Katherine G. Johnson hat die Flugbahn für Apollo 11 berechnet.

Selbst als mechanische Computer längst Umlaufbahnen berechnen konnten, bat der Astronaut John Glenn Johnson, die Umlaufbahn der Mission „Mercury-Atlas 6“ nachzurechnen, da er Johnsons Fähigkeiten mehr vertraute als dem Gerät. Glenns Mission gelang, er ging als erster Astronaut, der die Erde umrundete, in die Geschichte ein. Johnson dagegen blieb im Hintergrund. Als „Apollo 13“ nach einem Problem vorzeitig zur Erde zurückkehren musste, berechnete Johnson den Rückweg. Auch die Flugbahn für die Mondlande-Mission „Apollo 11“ hat Katherine Johnson berechnet. Hätte es sie und Margaret Hamilton nicht gegeben – wer weiß, wie die Geschichte der bemannten Raumfahrt dann aussehen würde.

Smithonian
Rita Rapp mit den von ihr entwickelten Zubereitungen. Auf dem Speiseplan von Apollo 11 standen daneben noch Rindereintopf, Spaghetti mit Hackfleischsoße (angeblich Neil Armstrongs Leibgericht), Früchtebrot, Wurstsalat und Hühnercremesuppe; letztere soll ebenfalls sehr beliebt gewesen sein.

Rita Rapp entwickelte das Astronautenessen

Von Pamela Dörhöfer

Auch Rita Rapp war eine jener Frauen, die wesentlich zum Erfolg der Apollo-Missionen beigetragen haben. Ihre Arbeit darf man sich mitnichten so vorstellen, dass sie in irgendeiner Großküche der Nasa am Herd gestanden hätte. Rita Rapp, 1928 in Ohio geboren, war Wissenschaftlerin und hatte als eine der ersten Frauen an der Saint Louis University School of Medicine studiert. Ihr Hauptaugenmerk bei der Nasa galt der Frage, wie sich Essen für Raumfahrer am praktikabelsten aufbereiten und verpacken ließe. Ihr Ziel war es, wegzukommen von in Würfeln und Tuben gepresster Nahrung, die in ihren Bestandteilen nicht mehr zu erkennen war.

Stattdessen wollte sie den Astronauten Mahlzeiten mit auf die Reise ins All zu geben, die sie auf eine „irdische“ Weise essen konnten. Es gab Portionen in Aluschalen, verzehrfertige Häppchen oder Gefriergetrocknetes im Plastikbeutel, aus dem sich über das Zuführen von Wasser etwas Genießbares zaubern ließ. Heißes und kaltes Wasser bekamen die Astronauten in der Raumkapsel aus zwei biegsamen Schläuchen, an deren Ende sich ein Zapfhahn befand. Anschließend mussten sie das Essen im Beutel durchkneten, um die Flüssigkeit zu verteilen.

Schon gewusst?

Auch Astronauten müssen mal, wenn’s gerade nicht passt. Beim Start trugen sie für diesen Fall eine Art Riesenkondom, das in einen Beutel mündete, der um die Hüfte hing. Entsorgt wurde der Urin in den Weltraum.

Warum sich die Flagge auf dem Mond bewegt

Um die Mondlandung ranken sich Verschwörungstheorien, Wissenschaftler klären sie auf.

Von Tanja Banner

Es gibt nur wenige Ereignisse, um das sich so viele Verschwörungstheorien ranken wie um die Mondlandung. Wurde sie tatsächlich in einem Filmstudio inszeniert? Als Ursprung dieser Verschwörungstheorien gilt das Buch „We Never Went To the Moon“ von Bill Kaysing aus dem Jahr 1976. Wissenschaftler entmystifizieren regelmäßig die gängigsten Verschwörungstheorien rund um die Mondlandung.

Das Argument der Verschwörungstheoretiker: Das Abstiegstriebwerk der Mondlandefähre hat keinen Krater auf der Mondoberfläche erzeugt. Verschwörungstheoretiker nutzen dieses Argument, um zu erklären, warum die Mondlandung nicht auf dem Mond stattgefunden haben kann.

Smithonian
Manche Menschen halten das für eine Studioaufnahme.

Die Erklärung: Schon Neil Armstrong fiel nach der Landung auf, dass es keinen nennenswerten Krater gab. Er sagte: „Der Abstand zum Boden beträgt etwa dreißig Zentimeter. Wir befinden uns hier auf einer ziemlich ebenen Fläche. Ich sehe ein paar durch den Triebwerksausstoß verursachte strahlenförmige Spuren, aber nur in sehr geringem Ausmaß.“ Die Landefähre „Eagle“ bewegte sich während der Landung seitwärts, das Abstiegstriebwerk blieb also nicht lange auf eine Stelle gerichtet. Außerdem hatte die „Eagle“ nur eine Masse von rund 7000 Kilogramm. Der Physiker Holm Gero Hümmler rechnet in seinem Buch „Verschwörungsmythen“ nach: Die Gewichtskraft der „Eagle“ betrug bei der geringen Schwerkraft des Mondes nur etwas über eine Tonne – und nur dieses Gewicht musste bei der Landung abgebremst werden. Außerdem würden die Abgase eines Raketentriebwerks im luftleeren Raum fächerförmig auseinanderströmen und nicht wie auf der Erde als gebündelter Strahl auftreten, so Hümmler.

Das Argument der Verschwörungstheoretiker: Auf dem Mond gibt es keinen Wind. Trotzdem weht die Flagge im Wind, während sie aufgestellt wird. Außerdem sieht man auf den Fotos der Flagge Falten.

Die Erklärung: Im Video von der Mondlandung sieht man, dass die Flagge sich bewegt. Die Flagge wurde aufgestellt, indem der Fahnenmast in den Mondboden gerammt wurde. Durch die entstandene Schwingung bewegt sich die Flagge. Da im Vakuum der Luftwiderstand fehlt, der die Bewegung auf der Erde abbremsen würde, schwingt die Flagge auf dem Mond länger, bis sie zum Stillstand kommt. Die Falten, die auf der Flagge zu sehen sind, lassen sich ebenfalls erklären: Die Astronauten konnten einen Stab, der die Fahne aufspannt, nicht ganz ausklappen – die Fahne wurde so nicht vollständig gespannt.

Das Argument der Verschwörungstheoretiker: Auf den Bildern von der Mondlandung sind keine Sterne zu sehen. Der Himmel auf dem Mond ist – wegen der fehlenden Atmosphäre – immer schwarz. Müsste man dann nicht die Sterne sehen?

Die Erklärung: Die Sterne wurden durch die Kameraeinstellungen quasi „verschluckt“. Die Kameras waren so eingestellt, dass die wichtigsten Dinge – die Mondoberfläche, die Astronauten und ihre Ausrüstung – korrekt abgebildet wurden. Da die Mondoberfläche durch die Sonneneinstrahlung extrem hell war, musste die Belichtung entsprechend angepasst werden – mit dem Ergebnis, dass das Licht der Sterne zu schwach war, um abgebildet zu werden. Den Effekt kann man auf der Erde ganz leicht nachstellen, wie auch Hümmler in seinem Buch erklärt: Mit einer Kamera mit Teleobjektiv und manueller Belichtungseinstellung fotografiert man den Mond und einen Teil des umgebenden Himmels. Stellt man die Belichtung so ein, dass die Strukturen des Mondes erkennbar sind, sieht man auf dem Bild keine Sterne mehr. Stellt man die Belichtung so ein, dass man die Sterne erkennen kann, wird der Mond zu einer stark überbelichteten weißen Fläche ohne Struktur.

Nasa
Auch wenn es vielleicht so aussieht: Diese Aufnahme der "Apollo 11"-Crew stammt nicht aus einem Hollywood-Studio, sondern aus dem Manned Spacecraft Center der Nasa in Houston. Dort trainierten Neil Armstrong und Buzz Aldrin die Handgriffe, die sie bei ihrem Einsatz auf dem Mond ausführen würden.

Das Argument der Verschwörungstheoretiker: Auf einigen Aufnahmen vom Mond verlaufen die Schatten nicht parallel zueinander. Müssten sie nicht parallel verlaufen, wenn die Sonne tatsächlich die einzige Lichtquelle ist und keine Scheinwerfer benutzt wurden?

Die Erklärung: Bei diesem Argument der Verschwörungstheoretiker geht es vor allem um Perspektiveneffekte: Betrachtet man Bahngleise, scheinen sie in weiter Ferne am Horizont zusammenzulaufen – obwohl sie garantiert parallel zueinander liegen. Außerdem ist die Mondoberfläche nicht eben, sondern voll von Kratern, Hügeln und Felsen – auch das kann die Schatten verzerren.

Fazit: Kein Argument der Verschwörungstheoretiker ist bei genauerem Hinsehen stichhaltig. Viele der Argumente lassen sich durch einfachste Mittel oder Berechnungen leicht widerlegen. Die Argumente basieren auf „Unwissenheit, Nichtverstehen von Zusammenhängen oder möglicherweise auch bewusster Verdrehung von Tatsachen“, schreibt Hümmler dazu.

„Ich konnte nicht widerstehen, dieses Ungetüm anzufassen“

Der frühere Astronaut Thomas Reiter über Gefühle beim Start ins All, Schwerelosigkeit, die unendliche Schwärze des Weltraums – und wie ihn die Mondlandung 1969 inspiriert hat.

Er hat seinen Kindheitstraum verwirklicht: Thomas Reiter sah die Erde von oben und als einer von nur wenigen Astronauten zwei Raumstationen – die MIR und die ISS – von innen. Mit insgesamt 350 Tagen im All zählt der gebürtige Frankfurter zu den erfahrensten Raumfahrern Europas.

Die Mondlandung am 21. Juli 1969 war ein Schlüsselerlebnis für ihn, der ihn inspirierte – wie so viele andere, die heute ebenfalls bei den internationalen Weltraumagenturen arbeiten.

Das war mein Kindheitstraum. Aber nach dem Abitur war mit schon bewusst, dass dieser Wunsch unglaublich unrealistisch war.

Thomas Reiter
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Thomas Reiter

Herr Reiter, als vor 50 Jahren die ersten Menschen den Mond betraten, waren Sie ein Kind. Welchen Einfluss haben die Ereignisse von damals auf Ihren beruflichen Werdegang genommen?

Innerhalb weniger Jahre hat sich damals in der Raumfahrt sehr viel entwickelt, es herrschte eine richtige Aufbruchstimmung. In dieser Zeit ist auch mein eigenes Interesse geweckt worden und stetig gewachsen. Ich fing an, alles zu sammeln, was ich in Zeitschriften zum Thema Raumfahrt finden konnte. Auch meine Eltern schenkten mir zu Weihnachten oder zum Geburtstag immer Dinge, die damit zu tun hatten. Ich erinnere mich noch, dass ich im Alter von sechs oder sieben eine kleine Rakete bekam, die man in ein Gummiband spannen musste, dann flog sie hoch, ein kleiner Fallschirm kam raus, und sie segelte wieder zur Erde runter.

Die Vorstellung, dass erstmals Menschen mit eigenen Füßen auf der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers stehen, dass sie dort sind, wovon Menschen Jahrtausende geträumt haben, das hat mir damals Gänsehaut bereitet und tut es auch heute noch.

1968 habe ich zusammen mit meinem Vater den Science Fiction-Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“ im Kino gesehen. Das alles kulminierte im Juli 1969 in der Mission von Apollo 11. Damals war ich elf. Mein Vater weckte mich nachts – die Landung fand ja nach unserer Zeit am frühen Morgen statt – und wir sind rüber zum Nachbarn, der schon einen Farbfernseher hatte. Zwar waren die Bilder vom Mond schemenhaft und in schwarz-weiß. Aber die ganze Dokumentation konnten wir in Farbe sehen. Die Vorstellung, dass erstmals Menschen mit eigenen Füßen auf der Oberfläche eines anderen Himmelskörpers stehen, dass sie dort sind, wovon Menschen Jahrtausende geträumt haben, das hat mir damals Gänsehaut bereitet und tut es auch heute noch. Nun war es soweit und man selbst hat diesen Moment miterlebt.

Viele Menschen waren damals fasziniert von der ersten Mondlandung. Doch als die Nasa die Mondmissionen nicht einmal vier Jahre später einstellte, flaute die allgemeine Begeisterung wieder ab. Bei Ihnen war das offenbar nicht so.

Die Nachricht, dass die Nasa sich nach Apollo 17 von den Mondmissionen verabschiedete, war eine große Enttäuschung. Vorher hatte ich wie viele andere auch gedacht, es wird weitergehen mit dem Aufbau einer Mondstation. Doch das Wettrennen zwischen den USA und der Sowjetunion war gewonnen. Damals konnte ich noch nicht einordnen, welche Rolle dieser politische Hintergrund spielte. Das Thema Raumfahrt hielt mich gleichwohl in seinem Bann. Als ich mein Abitur gemacht hatte, war klar, dass ich einen Beruf in der Luft- und Raumfahrt ergreifen möchte, wo ich Theorie und Praxis verbinden konnte.

Zur Person

Thomas Reiter, geboren 1958 in Frankfurt, besuchte die Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck und studierte an der Universität der Bundeswehr in Neubiberg bei München Luft- und Raumfahrttechnik. Bis 1990 war er Mitglied des Jagdbombergeschwaders 43 auf dem Fliegerhorst Oldenburg.

1993 wurde Thomas Reiter von der Europäischen Weltraumorganisation Esa als Astronaut für die Euromir-95-Mission nominiert. Am 3. September 1995 flog er für 179 Tage zur russischen Raumstation Mir. Reiter kehrte danach zunächst zur Bundeswehr zurück, arbeitete aber ab 1999 wieder für die Esa.

Am 4. Juli 2006 startete er mit dem Space-Shuttle zur Internationalen Raumstation ISS und kehrte nach 171-tägigem Aufenthalt wieder zur Erde zurück. Thomas Reiter ist heute als Esa-Koordinator für internationale Agenturen und Berater von Generaldirektor Jan Wörner tätig.

Hatten Sie damals schon das Berufsziel Astronaut vor Augen?

Das war mein Kindheitstraum. Aber nach dem Abitur war mit schon bewusst, dass dieser Wunsch unglaublich unrealistisch war. Deshalb studierte ich Luft- und Raumfahrttechnik bei der Bundeswehr und kombinierte es mit einer Pilotenausbildung. Das lag für mich auch deshalb nahe, weil ich durch meine Eltern schon früh mit dem Segelfliegen in Berührung kam. Ich selbst habe mit 14 damit angefangen.

Die Antwort musste ich mir nicht lange überlegen.

Thomas Reiter über das Angebot, an einem Auswahlverfahren für Astronauten teilzunehmen.

Und flogen dann sozusagen immer höher, bis Sie Astronaut wurden …

Das kam letztlich überraschend für mich. Es war an einem grauen Herbsttag im Jahr 1986. Ich war damals in Oldenburg stationiert. Ich kam nachmittags vom Fliegen zurück und ging in die Staffel. Da sagte der Einsatzoffizier zu mir: „Thomas, du musst dich beim Kommandeur melden“. Ich bekam ein mulmiges Gefühl, denn es war die Zeit, in der viel über die Tieffliegerei diskutiert wurde. Man musste sehr darauf achten, welche Bereiche man überflog. Ich packte also meine Karte unter den Arm und ging zum Kommandeur. Der fragte mich dann entgegen meiner Erwartung, ob ich an einem Auswahlverfahren für Astronauten teilnehmen möchte. Ich konnte es erst gar nicht glauben. Aber die Antwort musste ich mir nicht lange überlegen.

Warum dauerte es dann noch neun Jahre, bis Sie zur russischen Raumstation Mir fliegen konnten?

Es war kein Durchmarsch, sondern hat sich sehr lange hingezogen, mit vielen Höhen und Tiefen. Nach dem nationalen Auswahlverfahren 1986/87 war drei Jahre lang Sendepause. Erst 1990 kam wieder ein Anruf, dass es jetzt bei der Esa weitergehen soll. Dann musste ich das ganze Auswahlverfahren noch einmal durchlaufen.

Wie läuft es genau ab?

Man muss zunächst umfassend Auskunft über medizinische Details geben, auch von Eltern und Großeltern. Dann kommen Tests, von morgens bis abends, psychologische Tests, Speed-Tests, bei denen man in begrenzter Zeit möglichst viel schaffen muss, Tests in Mathematik, Physik, Sprachen. Die Gruppe wurde von Tag zu Tag kleiner. Und natürlich werden auch umfangreiche medizinische Tests gemacht. Eine Woche lang bin ich an der Uniklinik Köln auseinandergenommen worden.

Wenn man sich dann tatsächlich am Tag vorher von seiner Familie verabschiedet und am Morgen diesen ganzen Komplex sieht, den Raum- und den Druckanzug anlegt, überkommt einen schon das Gefühl: Das wird jetzt ernst, jetzt wirst du diesen Planeten verlassen.

Am 3. September 1995 war es soweit. Sie sind zur russischen Raumstation Mir gestartet. Was geht dabei in einem Menschen vor? Hatten Sie eigentlich Angst?

Vor dem Start waren wir ja schon einige Tage vorher im Weltraumbahnhof Baikonur in Quarantäne. Wenn wir dort abends auf dem Balkon gestanden haben, konnten wir die Mir-Station über uns hinwegfliegen sehen. Es war eine ganz unwirkliche Vorstellung zu wissen, in ein paar Tagen wirst du selbst dort oben sein. Als wir die Kapsel inspiziert hatten, bevor sie an die Rakete montiert wurde, stieg die Vorfreude enorm – aber auch das Bewusstsein, dass das alles kein Spaß ist, dass es mit Risiken verbunden ist. Natürlich weiß man das die ganze Zeit. Aber wenn man sich dann tatsächlich am Tag vorher von seiner Familie verabschiedet und am Morgen diesen ganzen Komplex sieht, den Raum- und den Druckanzug anlegt, überkommt einen schon das Gefühl: Das wird jetzt ernst, jetzt wirst du diesen Planeten verlassen. Dann geht es mit dem Bus zur Rakete. Sie ist außen mit einer Art Reif überzogen, der sich durch die niedrigen Temperaturen bildet. Die Rakete zischt und raucht, sie kam mir vor wie ein Ungeheuer, ein wildes Tier, das nur darauf wartet, losgelassen zu werden. Ich konnte nicht widerstehen, dieses Ungetüm anzufassen. Dann fährt man mit einem Lift hoch zur Kapsel und steigt ein. Das ist ein sehr eindrucksvoller Moment. Bis zum Start dauert es dann noch ungefähr dreieinhalb Stunden, denn es sind noch etliche Checks zu machen.

Auf Bildern sieht es sehr eng aus in diesen Raumkapseln …

Es ist wirklich sehr eng, eineinhalb Kubikmeter, in denen drei Erwachsene Platz finden müssen. Man sollte keine Tendenz zur Klaustrophobie haben.

Ist es beim Start laut da drin?

Überhaupt nicht. Von dem infernalischen Lärm, der außen zu hören ist, merkt man innen gar nichts, nur das Rauschen der Klimaanlage. Wenn der Treibstoff in die Brennkammern gepumpt wird, hört man den hohen Ton der Turbopumpen, und es vibriert ein bisschen. Und dann geht es los. Die Rakete hebt ab.

In diesem Moment ist man dann plötzlich schwerelos und weiß: Jetzt sind wir im Weltraum, 200 Kilometer von der Erde entfernt und mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von fast 28.000 Stundenkilometern unterwegs.

Was spürt man dabei im Körper?

Im ersten Moment ist es eher so, als würde man sich in einem Aufzug befinden. Aber dann nimmt die Beschleunigung zu, nach zwei Minuten hat die Rakete schon das Sechsfache der Schallgeschwindigkeit erreicht und 60 Kilometer zurückgelegt. Wenn sich dann die erste Stufe trennt, geht das sehr abrupt, die Beschleunigung nimmt schlagartig ab. Kurz nach dem Abtrennen der zweiten Stufe wird die aerodynamische Verkleidung der Rakete abgesprengt. Das geschieht nach etwa 80 Kilometern. Erst dann kann man rausschauen.

Und was sieht man da?

Keinen blauen Himmel mehr, sondern die Schwärze des Weltraums. Nach acht Minuten und 50 Sekunden gibt es einen kräftigen Ruck, weil die Kapsel sich mit Federn von der dritten Stufe trennt. In diesem Moment ist man dann plötzlich schwerelos und weiß: Jetzt sind wir im Weltraum, 200 Kilometer von der Erde entfernt und mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von fast 28.000 Stundenkilometern unterwegs. Da haben wir uns erst einmal die Hände geschüttelt. In diesem Moment konnte ich auch den ersten Blick von oben auf die Erde erhaschen, auf die Küste Japans.

Wie haben Sie den Blick vom All aus auf die Erde wahrgenommen? Viele Astronauten haben erzählt, wie ergriffen sie waren.

Es sind Eindrücke, die so überwältigend sind, dass sie einen ein Leben lang begleiten. Wenn ich bei Vorträgen Bilder zeige und dazu erzähle, ist es immer wieder so, als wäre es erst gestern passiert. Das Gefühl, das alles mit eigenen Augen gesehen zu haben, berührt mich emotional immer noch sehr stark.

Und wie war der Blick auf den Mond?

Man nimmt ihn viel klarer wahr, weil die Erdatmosphäre nicht dazwischen ist. Von der Mir aus sahen wird Mondaufgänge und –untergänge im Zeitraffer. All diese Eindrücke werden durch das Gefühl der Schwerelosigkeit noch verstärkt.

Da ist sonst nichts. Nur dieses kleine blaue Fleckchen in der unendlichen Schwärze des Weltraums. Und das ist unser Zuhause

Wie fühlt sich Schwerelosigkeit an? Ich kann mir das gar nicht vorstellen.

Wenn man sich im Schwimmband einfach mal treiben lässt und die Luft anhält, kommt es der Schwerelosigkeit ein bisschen nahe. Allerdings weiß man dann immer noch, wo oben und unten ist. Wir sitzen hier auf der Erde auf einem Stuhl, die Füße auf dem Boden, alles zieht nach unten. Das fällt da oben weg.

Hat man auch das Gefühl von Kontrollverlust?

Das habe ich nicht so empfunden, ich fand es vielmehr sehr angenehm. Wenn man von der Raumstation auf die Erde schaut, nimmt man diesen Anblick gewissermaßen körperlos wahr – und das verstärkt die Bilder noch. Es ist einfach wunderbar, was man von dort aus sieht: die Wolken, Gewitter, Leuchtphänomene, die dünne Atmosphäre, Sonnenauf- und untergänge, den Weltraum.

Was sieht man, wenn man in den Weltraum schaut?

Die Sterne, die Milchstraße, gestochen scharf. Aber sonst ist alles pechschwarz. In diesen unendlichen Weiten sieht unser kleiner Planet sehr einsam aus. Hier unten kann man sich das nicht vorstellen, aber dort oben wirkt es erschreckend. Da ist sonst nichts. Nur dieses kleine blaue Fleckchen in der unendlichen Schwärze des Weltraums. Und das ist unser Zuhause.

Es gibt viele Pläne für künftige Missionen zum Mond. Befürworten Sie, dass wieder Menschen dort landen?

Das ist überfällig. Für die Wissenschaft ist der Mond nach wie vor von großem Interesse. Man darf nicht glauben, dass man durch die Apollo-Missionen alles über den Mond weiß. Menschen sollten aber nicht zum Mond fliegen, um dort die Fahne ihres Landes in den Staub zu setzen, sondern um für längere Zeit dort zu bleiben. Ich stelle mir eine Station vor, die wie heute die Internationale Raumstation ISS permanent besetzt ist – und das in internationaler Zusammenarbeit. Große Herausforderungen wie diese lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Wenn jeder für sich kämpft, wird das nichts.

Interview: Pamela Dörhöfer

Die nächsten Schritte

Wann Menschen wieder zum Mond fliegen sollen

Von Pamela Dörhöfer

Bis die imposanten Bilder Wirklichkeit werden, dürfte es noch ein weiter Weg sein: Bilder, auf denen Menschen in Astronautenanzügen auf dem Mond arbeiten, assistiert von robotischen Geräten. Bilder, auf denen futuristische High-Tech-Iglus – die Idee ist es, sie auf Basis von 3-D-Drucken zu fertigen – die Oberfläche zieren. Bilder von einer Station, die um den Erdtrabanten kreist, einem „Luna Gateway“ für ankommende und wegfliegende Raumfahrzeuge.

50 Jahre nach der Mondlandung von Apollo 11 wird es locker noch fünf Jahre dauern, bis wieder ein Mensch den Mond betritt – fest steht aber, dass dieses Mal die Erste eine Frau sein soll. So hat es sich die Nasa vorgenommen. Die US-Raumfahrtbehörde peilt als Datum für diesen neuerlichen historischen Moment das Jahr 2024 an. Es ist anzuzweifeln, dass private Raumfahrtunternehmen, die in der Vergangenheit manche verwegen klingenden Pläne präsentiert haben, der Nasa zuvorkommen werden.

Bis eine ganze Siedlung auf dem Mond steht und dort jemand die Arbeit aufnimmt, wird es noch einige Jahre länger dauern. Laut Matthias Maurer, Astronaut bei der Europäischen Weltraumorganisation Esa, könnte es 2029 so weit sein. Für diesen Zeitpunkt plant China die Inbetriebnahme einer eigenen Basis auf dem Mond. Auch Jan Wörner, Generaldirektor der Esa, hat bereits vor einigen Jahren die Idee für ein „Luna Village“ präsentiert. Er geht davon aus, dass ein Projekt solchen Ausmaßes nur gemeinsam von mehreren Raumfahrtorganisationen zu stemmen ist. Wörner würde auch gerne die Chinesen stärker in die internationale Kooperation im Weltraum einbinden. Die Esa hat mehrere Missionen von chinesischen Chang’e-Sonden bereits über die Nutzung von Bodenstationen unterstützt – und will das auch beim nächsten Mal wieder tun, wenn Chang’e 5 im Dezember zum Mond fliegen und von dort Bodenproben mit zur Erde bringen soll.

Aus der Raumfahrt in den Alltag

Die Teflonpfanne ist das wohl berühmteste Beispiel für ein Material aus der Raumfahrt, das es aus dem All in den irdischen Alltag geschafft hat. Aber sie ist bei weitem nicht das einzige!

Schaumstoff: Nasa-Wissenschaftler entwickelten 1966 "Memory Foam" als Material für Sitze in Fluggeräten. Er ist besonders stoßdämpfend, geschmeidig und komfortabel. Heute steckt der Schaumstoff in Matratzen, Sturzhelmen und Skischuhen.

Klettverschluss: 1948 beobachtete der Schweizer Ingenieur George de Mestral das Phänomen, als eine Pflanze an den Schlaufen seiner Kleidung kleben blieb. Jahrelang interessierte sich niemand für seine Erfindung, populär wurde sie erst, als die Nasa das Material in den 1960ern zur Sicherung verschiedener Geräte im Weltraum einsetzte. Prompt wurden Firmen wie Puma und Reebok darauf aufmerksam und fingen an, es ab 1968 als Verschlüsse an Sportschuhen zu verwenden.

Thermodecken: Die mit einem metallischen Reflexionsmittel beschichtete Folie aus Kunststoff wurde 1964 von der Nasa als Wärmedämmung für Raumfahrzeuge entwickelt. Sie reflektieren bis zu 97 Prozent der abgestrahlten Wärme. Seit 1978 sind sie als Rettungsdecken im irdischen Gebrauch.

Teflon: Dass es für die Raumfahrt entwickelt wurde, ist ein Mythos. Tatsächlich hat der amerikanische Chemiker Roy Plunkett das Polymer bereits 1938 zufällig entdeckt, als er versuchte, ein Kältemittel herzustellen. Doch erst als die Nasa Teflon in der Raumfahrt für Isolierungen und Beschichtungen einsetzte, wurde das Material populär und sorgt bis heute in Millionen Pfannen für ein Anbraten ohne Anbrennen.

Durchsichtige Zahnspangen: Das hier verwendete transluzente polykristalline Aluminiumoxid wurde ursprünglich als Schutz von Sensoren in Raketen eingebaut.

Kratzfeste Brillengläser: Während der Arbeit an einem Wasserreinigungssystem für Raumfahrzeuge entwickelte Nasa-Forscher Ted Wydeven Anfang der 1980er - versehentlich! - die Beschichtungstechnologie, mit der heute fast alle Brillengläser hergestellt werden.

High-Speed-Schwimmanzüge: 2008 bei den Olympischen Spielen wurden 23 von 25 Schwimmweltrekorden in einem Speedo LZR Racer-Schwimmanzug gebrochen. 2009 wurde der Anzug vom Internationalen Schwimmverband als „technologisches Doping“ eingestuft und verboten.

Auch heute noch ist ein Flug zum Mond keine Routine, nicht einmal, wenn es um eine Sonde geht, sagt Paolo Ferri, Leiter des Missionsbetriebs am Satellitenkontrollzentrum der Esa in Darmstadt. Umso mehr gilt das für eine Reise mit Menschen an Bord. Bei der Nasa wird seit Jahren an einer Rakete gearbeitet, die die Nachfolge der Saturn-V antreten soll, die einst sämtliche Apollo-Missionen sicher ins All katapultierte und bis heute die leistungsstärkste je gebaute Rakete ist.

Die neue SLS soll die Astronauten allerdings nicht auf einen direkten Kurs Richtung Mond schicken. Die Reiseroute sieht heute anders aus als bei den Apollo-Missionen, erklärt Ferri. So sollen die Astronauten zunächst zu einem Gateway in der Umlaufbahn gebracht werden, um dort aus ihrer Raumkapsel in ein anderes Fluggerät zu wechseln, das sie schließlich zum Mond bringt. Auch beim Rückflug ist ein Stopover in dieser Station geplant.

Auch an den Raumschiffen wird bereits gearbeitet. Erst Anfang des Monats simulierte die Nasa in Cape Canaveral einen Startabbruch, um die Sicherheit der Kapsel zu testen. Das Kommandomodul dieser neuen „Orion“-Kapsel – in dem dann auch die Astronauten sitzen werden – ist Aufgabe der Nasa, das dazugehörige Servicemodul hat die Esa entwickelt. Vom Prinzip her sieht die „Orion“ den Apollo-Kapseln recht ähnlich – ein auffälliger Unterschied jedoch sind die Solarflügel zur Energiegewinnung anstelle der Brennstoffzellen.

Zu den wichtigsten Neuerungen kommender Mondmissionen freilich wird das Luna Gateway zählen. Er soll nach und nach aufgebaut werden, sagt Ferri. Auch gibt es Überlegungen, die Station dauerhaft mit Menschen zu besetzen – ähnlich wie heute die Internationale Raumstation ISS. Allerdings wird eine Station rund um den Mond eine ungleich größere Herausforderung darstellen, denn anders als die ISS, die in 400 Kilometern Höhe noch von der Erdatmosphäre geschützt ist, wären die Menschen im Luna Gateway weitaus stärker der Strahlung aus dem Weltraum ausgesetzt.

Die Strahlung, sie bleibt auch bei möglichen Flügen zum Mars ein großes Problem. Einigkeit scheint mittlerweile bei den Raumfahrtbehörden in der Frage zu herrschen, welchen Himmelskörper Menschen als nächstes Ziel ansteuern sollen: Nachdem lange der Mars im Fokus stand, soll nun doch zuerst wieder der Mond angeflogen werden. Dort gäbe es noch viel zu erforschen, sagt Matthias Maurer, der auf seinen ersten Einsatz im All wartet und auch gerne zum Mond möchte, wie er erzählt. Denn auch wenn ein Großteil unseres Wissens über den Mond von den Apollo-Missionen stammt, so waren die Forschungsaufgaben der Astronauten doch überschaubar und ihre Radien noch bescheiden. So soll sich Neil Armstrong keine hundert Meter von der Landefähre entfernt haben.